Community Music Drama in drei Akten für Soli, Kinderstimmen, Chor und Ensemble
Musik: Jakob Gruchmann, 2019/20 - Libretto: Manuela Widmer, 2019 (nach Erich Kästner) - Auftrag von: SUDHAUS hallein.kultur
DIE KONFERENZ DER TIERE: Gedanken des Komponisten zum Werk
Angesichts des exponentiellen Wachstums der Klimakrise, der systematischen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, vieler Alltagsprobleme aufgrund selbstverwaltender Bürokratie sowie ständigem Andauern von kriegerischen Auseinandersetzungen stellt sich immer dramatischer die Frage, ob die Menschheit ihre selbstgemachten Probleme noch in den Griff bekommen wird oder ob sie wie in einer Sackgasse auf eine unaufhaltsame globale Katastrophe zusteuert.
Doch was, wenn tatsächlich die Tiere aktiv werden? In der antiken Geschichte von der Arche Noahs waren es ja interessanterweise auch die Tiere, die die kommende Wasserflut-Katastrophe irgendwie gespürt haben und zum rettenden Schiff gepilgert sind…
In diesem Sinne verstehe ich das Community Music Drama „Die Konferenz der Tiere“ als ein Bühnenwerk, das bisher – aus meiner Sicht – in keine Geschichtsepoche zum aktuellen Weltgeschehen besser gepasst hätte als in unsere gegenwärtige Zeit – auch wenn die Thematik, ähnlich wie bei vielen Fabeln, eine grundsätzlich zeitlose gesellschaftskritische Dimension aufweist.
Obwohl das vorliegende Stück für alle Altersgenerationen ansprechend sein soll, ist es doch in erster Linie für junge und jung gebliebene Menschen geschrieben – sowohl was das Publikum als auch die Ausführung betrifft. Das Kommunizierende ist ein enorm wichtiger Aspekt dieses Musiktheaters: Nicht nur die Vermittlung von neuen Zugängen zur Musik und zum Schauspiel, sondern auch die vermittelnde Zuwendung der unterschiedlichen Generationen sowie von Laien- und ProfikünstlerInnen zueinander sollen Ziele dieses Projekts sein. So versteht sich dieses Werk auch explizit als kompositionspädagogisches Konzept.
Wie es sich in vielen meiner letzten Kompositionen herauskristallisiert hat, ist das Kommunizieren der Musik zwischen kreativ geformter Tradition und Elementen der Avantgarde in gewisser Weise zu einer Spezialität meines Personalstils geworden. So stoßen die MusikerInnen auf unterschiedliche traditionelle Formen wie zum Beispiel Kanons, Rezitative, verschiedene Tänze und Lieder, Fanfarenmodelle sowie auf einen dumpfen Fußmarsch. Andererseits ist die Musik auch von vielen experimentellen Zügen wie zum Beispiel diversen Tiergeräuschen, Verkehrslärm oder Morsecodes geprägt. Man denke nur an papierzerreißende Mäuse, unberechenbare und gefräßige Motten, die Flugzeuggeräusche der Lüfte oder das Starten einer Dampflok, was zum Einsatz von erweiterten Spieltechniken auf den Instrumenten einlädt. Allein die folgende Auflistung einiger von der Librettistin geforderten Tierlaute zeigt, dass es die Grenzen des klassischen Musikverständnisses und die herkömmlichen Spielweisen der Instrumente vom Komponisten zu überwinden gilt: Bellend, fliegend, flossenklatschend, flügelschlagend, galoppierend, krähend, röhrend, schnabelklappernd, stampfend, stolzierend, trompetend, wiehernd, wurmwindend, zwitschernd, …
Eine weitere Herausforderung unter den gerade beschriebenen Voraussetzungen war natürlich letztendlich, eine einfache und vor allem auch für Laien gut verständliche Notation der Musik zu erstellen, die die Mitwirkenden nicht über- aber auch nicht unterfordert. Das bedeutet, dass einerseits genügend Anhaltspunkte seitens traditioneller Notation bestehen müssen, andererseits – im Falle von beschreibenden oder grafischen Schreibweisen – die Mischung von Improvisation und notentextuellen Details extrem gut ausgelotet sein muss.
In diesem Sinn waren es auch viele spannende „Konferenzen“ für den Komponisten, um seine innere Vorstellung der Musik auf Papier zu bringen – in der Hoffnung, dass sie über die Zeiten hinweg attraktiv bleibt und nicht so bald den Mäusen oder Motten zum Fraß dienen wird!
Jakob Gruchmann, Februar 2020
Zurück zur Textübersicht
Zurück zur Werkübersicht