Der Klang aus dem Traum hat ein reales Echo |
Salzburger Nachrichten, 5. März 2021
Von Clemens Panagl
DER KLANG AUS DEM TRAUM HAT EIN REALES ECHO. Jakob Gruchmann hat beim Festival Aspekte eine Premiere – und steht in Japan im großen Finale
Jedes Mal wenn er ein neues Stück schreibe, sei eine Arbeitsphase besonders intensiv, erzählt Jakob Gruchmann: „Das ist die Zeit, in der ich die Klänge und Motive, die mir vorschweben, erstmals
als Entwurf aufs Papier bringen will. In dieser Phase muss ich mich isolieren, da darf ich mich nicht ablenken lassen“, sagt der Salzburger Komponist. Die Beschäftigung mit
dem musikalischen Material mache in solchen Perioden nicht einmal dann Pause, wenn die Schreibtischlampe längst ausgeknipst sei: „Oft arbeiten die Themen und Motive im
Traum weiter.“
Auch bei seiner jüngsten Komposition sei das so gewesen. Kein
Traum blieb hingegen das Echo, das er mit dem 20-minütigen Werk „Tehom“ für große Orchesterbesetzung derzeit in der Fachwelt auslöst. Beim Toru Takemitsu Award in Japan, einem der renommierten internationalen
Wettbewerbe für zeitgenössische Musik, steht der 29-jährige Salzburger im Finale. Von 91 Bewerbern aus 32 Nationen wurden vier Finalisten gewählt. Als Juror traf heuer der französische Komponist Pascal Dusapin die Vorauswahl.
Alle Einreichungen beurteilte Dusapin, der 2019 bei den Salzburger Festspielen als Composer in Residence zu Gast war, anonym. In Gruchmanns Werk lobte er den Sinn für intensive Klangvisionen: Das Stück gehe an die Grenzen
der Ausdrucksmöglichkeiten des Orchesters, der Komponist bringe Schönheit und Radikalität auf einen Nenner.
Das Finale soll nun im Mai in Tokio stattfinden. Die Reiseaussichten sind zwar noch ungewiss, dennoch hoffe er, in zwei Monaten selbst vor Ort sein zu können, wenn das Tokyo Philharmonic Orchestra an der Uraufführung feile, sagt Gruchmann:
Die Möglichkeit, dass Interpreten und Komponist gemeinsam die Klangvorstellungen eines neuen Stücks erarbeiteten, sei „immer wieder ein sehr schöner Prozess“.
Aktuell hat er diesen Prozess auch in Salzburg erlebt: Beim Musikfestival Aspekte hat am Sonntag (7. 3., 17 Uhr) ebenfalls ein Stück Gruchmanns seine Uraufführung.
Mitglieder des Österreichischen Ensembles für Neue Musik spielten dafür schon vorab seine Komposition für Klarinette, Schlagwerk, Violine und Cello ein. Das Festival findet heuer online statt, alle Konzerte
sind in aufgezeichneten Formaten im Netz zu sehen. Träume spielen in Gruchmanns Stück diesmal sogar im Titel eine Rolle. Es heißt „Traumisolation“. Der Name habe keine Lockdown-Anklänge, erläutert Gruchmann: Im Zentrum
stünden die anfangs erwähnten Träume, „die von der realen Welt isoliert sind, von denen aber nach dem Aufwachen oft eine Inspiration bleibt“.
Ein „ruhiges, filigranes Stück“ sei es geworden, das immer wieder in Grenzregionen zur Stille führe. Auch ein „ruhiges Ein- und Ausatmen der Musik“ werde hörbar, „wenn man sich darauf einlässt.
Wir haben intensiv an Details für die klangliche Umsetzung gearbeitet. Ein spannender Aspekt an der Neuen Musik ist ja, dass man mit jedem Stück Neuland betreten kann“.
Das wiederum erproben diese Woche auch sechs junge Finalisten im Jugendwettbewerb, der im Aspekte-Festival verankert ist. Zwischen zehn und 18 Jahre können die Nachwuchskomponisten sein, die ihre Frühwerke einreichen dürfen.
Wie weit der Weg von hier aus führen kann, zeigt sich am Beispiel von Jakob Gruchmann: Seine Komponistenlaufbahn begann 2007 mit der Teilnahme an dem Wettbewerb.
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