GEFALLEN IST BABYLON: Gedanken zur Komposition |
Auftragswerk der Wiener Jeunesse. Gespielt vom Wiener Jeunesse Orchester unter Herbert Böck im September 2016 beim Internationalen Brucknerfest Linz und bei der Saisoneröffnung der Wiener Jeunesse im Wiener Konzerthaus.
GEFALLEN IST BABYLON: Gedanken zur Komposition
Genesis (11,4): „Und sie sprachen: Wohlan, lasst uns eine Stadt bauen und einen Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, dass wir uns einen Namen machen, damit wir ja nicht über die ganze Erde zerstreut werden!“
In globalem Machtrausch – symbolisiert durch rhythmisch-fesselnde Strukturen und überheblich-heuchlerische Choralphrasen – nimmt die Spannung des Werkes immer mehr zu und wird ständig gesteigert, bis abrupt alles stehenbleibt und nichts mehr so ist, wie es war. Motivfetzen fliegen wirr in der zerklüfteten Klanglandschaft umher und hoffnungslos – ja schon fast gespenstisch – bringt die eine oder andere wehmütig anmutende Kantilene in diesem Trümmerhaufen einen schaurigen Wehe-Ruf zum Ausdruck.
Uraufgeführt im September 2016 mit Mendelssohns Reformationssinfonie und Bruckners f-Moll-Messe am Programm weist das Werk auch eine spirituelle Dimension auf: Vor 500 Jahren hat die Reformation versucht, Licht in die Finsternis der Papstkirche des Mittelalters zu bringen. Mit dem Orchesterstück „Gefallen ist Babylon“ soll auch die Frage gestellt werden, wie wir heute mit der damals so mühevoll durch Humanismus und Reformation erkämpften Gewissensfreiheit umgehen.
Aus dieser Sichtweise und angesichts der aktuellen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Weltsituation soll das Stück auch zum Nachdenken über diese und ähnliche Fragen anregen.
Gefallen ist Babylon: Wenn Systeme nicht mehr funktionieren, scheint noch eine Zeit lang nach außen hin alles in Ordnung zu sein. Die Beobachter und Entwicklungsforscher wundern sich oft, wie lange der Glanz der Außenfassade noch hält. Doch die Krise und der Zusammenbruch kommen unaufhaltsam näher, auch wenn keiner weiß, wann es soweit sein wird.
Die gute Nachricht vom Fall Babylons: Letztendlich ist es Gott, der dieses korrupte System entlarven und zum Einsturz bringen wird. Er tut es nicht, um Unheil anzurichten, sondern um die Menschheit von ihrer Egozentrik zu befreien und der Ungerechtigkeit Babylons ein Ende zu setzen.
Apokalypse des Johannes (18,2-3.10): „Gefallen, gefallen ist Babylon, die Große, und ist eine Behausung der Dämonen geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister und ein Gefängnis aller unreinen und verhassten Vögel. Denn von dem Glutwein ihrer Unzucht haben alle Völker getrunken, und die Könige der Erde haben mit ihr Unzucht getrieben, und die Kaufleute der Erde sind von ihrer gewaltigen Üppigkeit reich geworden. Wehe, wehe, du große Stadt Babylon, du gewaltige Stadt; denn in einer Stunde ist dein Gericht gekommen!“
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